Die Sommerferien sind keine gute Zeit für Deklinationstabellen – aber für Spaß an der Sprache.
Ein Glas Sekt auf die Ferien
Letztes Sprachtraining, dann sind Ferien – endlich! In der Pause haben die Teilnehmenden meines Kurses schon mal den Sekt ausgepackt. „Müsste ich das verbieten?“, frage ich mich – und trinke ein Glas mit. Als wir die Pause beenden, fragt eine Teilnehmerin, wie sie in den Ferien Deutsch lernen könne. Deutschlernen in den Ferien – hat sie zu viel Sekt getrunken? Will sie nicht lieber ein paar Wochen Erholung von dieser verrückten Sprache? Will sie nicht. Nur Spaß hätte sie gerne beim Lernen.
Nicht aus Disziplin, sondern aus Neugier lernen
Ja, doch, Deutschlernen kann Spaß machen! Klar, niemand füllt am Strand Deklinationstabellen aus oder lernt beim Picknick am See Vokabeln. Dann schon lieber in der S-Bahn Lern-Apps ausprobieren – falls nicht doch das neuste Katzenvideo auf Instagram amüsanter ist. Wirklich Spaß macht Lernen, wenn es sich gar nicht nach Lernen anfühlt. Wenn ich nicht aus Disziplin lerne, sondern aus Neugier. Wenn ich die Sprache nicht brauche, um einen Test zu bestehen, sondern, um mich mit der Welt zu verbinden. Hier ein paar Tipps:
Hören
Nicos Weg (A1-B2) – sicher kein Geheimtipp, viele Lernende haben den jungen Spanier Nico bereits durch seinen Alltag in Deutschland begleitet. Wahrscheinlich haben sich manche von ihnen auch schon über die Serie der Deutschen Welle geärgert. Sie zeigt uns ein sehr sauberes, sehr korrektes Deutschland und sehr höfliche, sehr hilfsbereite Deutsche. Probleme machen nur die anderen: Nicos konservative spanische Familie und die syrischen Eltern seiner Freundin Selma, die mit starkem arabischen Akzept sprechen, während Nicos und Selmas Aussprache perfekt ist. Trotzdem: Die kurzen Videos machen Spaß. Ihr bekommt Informationen über den deutschen Alltag und lernt viele sympathische Figuren kennen. Und das Beste: Die Serie ist wirklich nicht schwierig! Schon auf A1-Niveau könnt ihr beginnen.
Deutschlandlabor (B1) – noch ein Angebot der Deutschen Welle, das Deutschland in einem verdammt guten Licht präsentiert: die Zuverlässigkeit, die gemütlichen Wohnungen, die leckere Wurst… In zwanzig Folgen erkunden die Journalistin Nina und ihr Kollege David das Land. Anders als Nico, sind sie nicht fiktiv. Auch die Personen, mit denen sie Interviews führen, sind real – und so sprechen sie auch: schnell, undeutlich, manchmal falsch. Authentisch eben. Gut, dass auch die Skripts zu den Videos online sind.
Kritischer und lustiger ist die Comedy-Gruppe „Datteltäter“. Manchmal ist die Sprache hier eine Herausforderung, denn die Idee hinter den kurzen Videos ist nicht didaktisch, sondern satirisch. Die „Datteltäter“ spielen mit Stereotypen über „Almans“ und „Ausländer“, über „Multikulti“ und deutsche „Leitkultur“. Manchmal verwende ich die Videos in meinen Deutschkursen – die Unterrichtsvorbereitung dauert dann sehr lange, denn meistens schaue ich mir nicht nur ein oder zwei Videos an, sondern verbringe den halben Nachmittag auf Youtube mit den „Datteltätern“.
Zum Deutschlernen gibt es außerdem viele Podcasts. Zu viele, als dass ich sie hier auflisten könnte. Anfänger*innen empfehle ich „Deutsch lernen durch Hören“. Der Podcast ist ein bisschen altmodisch – aber Lernerfolge sind garantiert, denn es wird langsam und deutlich gesprochen. Lebhafter geht es im „Deutsch Podcast“ der beiden Lehrkräfte Virpi Nach und Sandra Durán Muños zu. Gut gelaunt unterhalten sie sich über die Kuriositäten der deutschen Sprache. Manchmal haben sie auch prominente Gäste – in Folge 154 zum Beispiel plaudern sie mit dem Kabarettisten Bodo Wartke.
Lesen
Habt ihr diesen Blog schon komplett gelesen? Dann macht doch mit einem Krimi weiter, einer Abenteuergeschichte, einem Liebesroman – was euch eben gefällt. Viele Verlage bieten Lektüren speziell für Deutschlernende auf unterschiedlichen Niveaus an. Die Texte sind ein bisschen vereinfacht und enthalten Vokabel-Erklärungen.
Wenn sich das zu sehr nach Schule anfühlt oder ihr nicht gleich ein ganzes Buch lesen wollt, könnt ihr auch die Kurzprosa des wunderbaren Schriftstellers Rafik Schami lesen. In „Eine deutsche Leidenschaft namens Nudelsalat“ und „Gesammelte Olivenkerne“ schreibt er mit viel Charme über das Leben arabischer Migrant*innen in Deutschland. Das macht in seinem Buch „Versteh einer die Deutschen!“ auch Firas Alshater – aus einer jüngeren Perspektive und in insgesamt deutlich leichterer Sprache. A propos Sprache: Falls ihr Deutsch verrückt findet, seid ihr damit nicht allein. Der Schriftsteller Abbas Khider plädiert in seinem Buch „Deutsch für Alle. Das endgültige Lehrbuch“ für eine radikale Reform der deutschen Sprache. Der Vorschlag ist wohl nicht ganz ernst gemeint, aber intelligent und witzig.
Schreiben
Probiert’s doch mal mit einem Tagebuch in deutscher Sprache. Was habt ihr heute gemacht? Wie war’s? Was wollt ihr morgen machen? Verzichtet auf Übersetzer und am besten auch aufs Wörterbuch. Ziel ist schließlich, dass ihr den Wortschatz, den ihr schon gelernt habt, gut nutzt – nicht, dass ihr möglichst komplizierte Vokabeln recherchiert und dann euren eigenen Text nicht mehr versteht.
Viele Deutsche haben übrigens trotz WhatsApp, Telegram und Co. ein sehr nostalgisches Verhältnis zu Postkarten. Sie finden eine Postkarte „persönlicher“ als eine digitale Textnachricht. Ehrlich gesagt ist das Quatsch, denn in Postkarten steht immer mehr oder weniger das Gleiche. Aber eine Postkarte beweist: Jemand hat sich Zeit genommen – einfach nur, um nett zu sein. Wenn ihr verreist, könnt ihr euren Nachbar*innen, Freund*innen oder Deutschlehrer*innen schreiben. Manche Urlauber*innen schicken sogar Postkarten an ihre Stamm-Bar.
Erfolge feiern
Feiert eure Erfolge! Wenn ihr in einem Text, den ihr vor einer Woche geschrieben habt, hundert Fehler findet, zeigt das: Heute würdet ihr hundert Fehler weniger machen – super! Wenn ihr einen Podcast hört oder einen Text lest, fragt euch nicht: Was verstehe ich nicht? Fragt euch: Was verstehe ich? Irgendetwas werdet ihr immer verstehen. Vielleicht erst beim zweiten oder dritten Versuch, aber das macht nichts.
In den Ferien sollt ihr keine Prüfung bestehen, sondern Spaß haben – auch mit der deutschen Sprache.
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