Wie süß, ein Diminutiv

Der Diminutiv ist im Deutschen sehr beliebt. Er macht alles kleiner – und manchmal auch sympathischer. Doch wie bildet man ihn eigentlich? Je nach Region fällt die Antwort ganz verschieden aus.

Wenn ich von einer Reise zurückkehre, habe ich immer das Gefühl: Berlin mag mich nicht mehr. Alle wirken irgendwie kalt und unhöflich. Nach ein paar Stunden fällt mir ein, dass die Leute in Berlin ja immer so sind, dann ist wieder alles gut. Ende August war ich ein paar Tage in Wien. Auch Wien gilt als nicht besonders höflich, und die Wiener, so sagt man, meckern genauso gern wie die Berliner. Der „Wiener Schmäh“ klingt aber viel weicher als der Berliner Dialekt. Wienerisch, das ist Deutsch mit Schokoladensauce. Ein Grund dafür sind die vielen Diminutive.

Der Diminutiv in verschiedenen Dialekten

Der Diminutiv kennzeichnet Personen oder Dinge als klein. In Wien ist eigentlich alles klein. Jedenfalls könnte man das denken, wenn man im Restaurant sitzt und den Wienern zuhört. Als Vorspeise bestellen sie ein „Supperl“, zum Schnitzel gibt’s ein „Glaserl“ Wein oder Bier und zum Nachtisch genießt man ein „Stückerl“ Torte. Die Portionen in Wien sind übrigens riesig! Der Diminutiv drückt hier eher Sympathie aus. Alles mit -erl am Ende findet der Sprecher oder die Sprecherin nett.

So vielfältig die Diminutive der deutschen Sprache sind, alle werden durch ein Suffix definiert. In der Schweiz ist -li beliebt, in Schwaben -le, in Norddeutschland -ken – allerdings ist man in Norddeutschland eher sparsam mit dem Diminutiv.

Immer im Neutrum

Im Standarddeutschen lauten die Diminutiv-Endungen -chen oder (seltener) -lein. Das Praktische am Diminutiv ist, dass er immer im Neutrum steht – egal, welches Genus das Nomen sonst hat. Wenn man mal wieder nicht den richtigen Artikel eines Nomens weiß, kann also der Diminutiv helfen: Ist es nun der, die oder das Tisch? Egal, wenn der Tisch nicht zu groß ist, macht man einfach ein „Tischchen“ draus. Ist es der, die oder das Hund? Egal, wenn es nicht gerade ein Bernhardiner ist, nennen wir ihn Hündchen.

Vorsicht, Vokalwechsel!

Beim Hündchen müssen wir nur aufpassen, dass wir an den Vokalwechsel denken, sonst macht uns das Tier doch noch Ärger: A, o und u werden zu ä, ö und ü. Der Schatz wird zum Schätzchen (und damit noch ein bisschen süßer!), das Boot zum Bötchen (Vorsicht, aus zwei o‘s wird nur ein ö!) und der Hund wird eben zum Hündchen – das würde ich mir von dem Pitbull unseres Nachbarn wirklich manchmal wünschen…

Warum das Mädchen im Neutrum steht

Manche Wörter stehen formal immer im Diminutiv – die sogenannten „verselbstständigten“ Diminutive wie zum Beispiel Brötchen. Ein Brötchen nicht einfach ein kleines Brot, sondern eben ein Brötchen (je nach Region auch als Schrippe, Wecke oder Semmel bekannt). Hier hat sich ein Diminutiv als eigenes Wort etabliert.

Ein verselbstständigter Diminutiv, an den sich viele Lernende nur schwer gewöhnen können, ist das Mädchen. Warum bitte steht ausgerechnet das Mädchen im Neutrum und nicht im Femininum? Die Antwort liegt in der Geschichte des Wortes: „Mädchen“ leitet sich ab von „Maid“. Maid hat man früher junge Frauen genannt. Das Mädchen ist also eine kleine junge Frau, eben noch ein Kind. Während die „Maid“ aus der Sprache verschwunden ist, sorgt das Mädchen bis heute für Konfusion. Aber wir wollen nicht ungerecht sein: Nicht das Mädchen ist schuld an seinem Genus, sondern der Diminutiv.

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4) Straße

5 / 6

5) Ball

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6) Hemd

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Karl Kelschebach möchte Lernende nicht nur mit den Absonderlichkeiten der deutschen Sprache versöhnen, sondern auch ihre Neugier auf die Kuriositäten des Lebens in Deutschland wecken. Ob Spargel, Beamtendeutsch oder die Deutsche Bahn - nichts ist vor seiner flotten Feder sicher. Über manches schreibt er liebevoll, über anderes biestig - aber eine Prise Humor ist immer dabei.

Karl Kelschebach not only wants to reconcile learners with the peculiarities of the German language, but also arouse their interest in the curiosities of life in Germany. Whether it's asparagus, administrative language or the German railway - nothing is safe from Karl's quick pen. He writes tenderly about some things, and meanly about others - but there is always a pinch of humour.

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