Der Internationale Frauentag

Seit 2019 ist der 8. März in Berlin ein Feiertag. Was ist die Geschichte dieses besonderen Tages?

 Internationaler was?

Zu Beginn ein Geständnis: Den Internationalen Frauentag habe ich erst mit 19 kennengelernt – nämlich dadurch, dass ich am 8. März frei hatte. Ich arbeitete als Freiwilliger an einer Schule in Burkina Faso, wo der Internationale Frauentag Feiertag ist. Vorher hatte ich nicht einmal gewusst, dass es diesen Tag gibt. Den Muttertag, den kannte ich – schließlich hatten wir im Mai in der Schule kleine Geschenke gebastelt, um uns bei unseren Müttern dafür zu bedanken, dass sie, na ja, unsere Mütter waren.

 

Veraltete Rollenbilder

Unter einer Mutter stellte man sich in meiner Schulzeit gemeinhin eine Frau vor, die immerzu Schürze trägt, Pausenbrote schmiert und mit dem Abendessen darauf wartet, dass Vati von der Arbeit kommt. Wenn ich in der Schule erzählte, dass bei mir zu Hause am Wochenende mein Vater kochte, war das eine Sensation. Dass unter der Woche normalerweise meine Mutter kochte, erzählte ich gar nicht, das war eh klar – obwohl sie ebenfalls einen Beruf hatte.

 

Wenn mein Vater ein Bewerbungsgespräch hatte, zog er dafür seinen Ehering an (er trug ihn sonst nie). Der künftige Arbeitgeber sollte denken: Der ist verheiratet, der wird schon gut arbeiten, schließlich muss er Frau und Kinder ernähren. Ein anachronistischer Gedanke, denn das „Alleinverdiener-Modell“ war längst ein Auslaufmodell. Aber anachronistisch war so einiges an den Rollenbildern meiner Kindheit…

 

„Meine Mutti ist Abteilungsleiter“ – Frauen in der DDR

Klingt ein bisschen, als würde Opa von früher erzählen – dabei bin ich erst Anfang dreißig. Vielleicht hätte ich andere Erinnerungen, wenn ich in Ostdeutschland aufgewachsen wäre. In der DDR sangen die Jungen Pioniere bereits in den 1950er Jahren: „Meine Mutti ist Abteilungsleiter, alle Tage, alle Tage steht sie ihren Mann!“ In den 1980er Jahren lag die Berufstätigkeit unter Frauen bei über 90%.

Der Frauentag war zwar kein Feiertag, gefeiert wurde er aber dennoch: Die wichtigen Männer der Partei lobten die Gleichberechtigung im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat, im Betrieb bekamen die Mitarbeiterinnen rote Nelken vom Chef, bevor sie sich zu Hause an die „zweite Schicht“ machten, die Care Work in der Familie.

 

Der 8. März als Feiertag

Vielleicht waren es Erinnerungen an solche DDR-Traditionen, die vor allem bei konservativen und liberalen Politiker*innen Widerwillen auslösten, als der 8. März im Bundesland Berlin 2019 zum Feiertag erklärt wurde. Doch ursprünglich war der Frauentag keineswegs für offiziöse Festivitäten gedacht, sondern für den Kampf um die Gleichberechtigung der Frau. Initiiert hatte ihn die deutsche Sozialistin Clara Zetkin 1910 – zu einer Zeit also, als Frauen noch nicht einmal wählen durften. Die Nationalsozialisten verboten den Internationalen Frauentag und setzten an seine Stelle den bis heute beliebten Muttertag.

Ein Glück, dass Frauen am 8. März nicht nur als Mütter gewürdigt werden! Und keine Sorge: Die Aktionen zum Internationalen Frauentag haben nichts gemein mit den verstaubten Ritualen in der DDR. Ob auf der linken Demonstration „Frauen*kampftag“, auf der Fahrraddemo „Purple Ride“, beim Frauentag in den Berliner Moscheen oder beim Musikfestival „Jenseits von Nelken und Pralinen“ – am 8. März wird’s in Berlin laut und bunt!

Karl Kelschebach möchte Lernende nicht nur mit den Absonderlichkeiten der deutschen Sprache versöhnen, sondern auch ihre Neugier auf die Kuriositäten des Lebens in Deutschland wecken. Ob Spargel, Beamtendeutsch oder die Deutsche Bahn - nichts ist vor seiner flotten Feder sicher. Über manches schreibt er liebevoll, über anderes biestig - aber eine Prise Humor ist immer dabei.

Karl Kelschebach not only wants to reconcile learners with the peculiarities of the German language, but also arouse their interest in the curiosities of life in Germany. Whether it's asparagus, administrative language or the German railway - nothing is safe from Karl's quick pen. He writes tenderly about some things, and meanly about others - but there is always a pinch of humour.

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