Urban Gardening hat in Berlin eine lange und vielfältige Tradition.
Ich habe keinen grünen Daumen
Irgendwie habe ich keinen grünen Daumen: Mein Balkon sieht aus wie eine Wüste. Wenn ich mich um eine Pflanze kümmere, ist das ihr sicherer Tod. Nicht einmal mein Kaktus hat überlebt.
Ein Glück, dass andere sich besser um Pflanzen kümmern als ich. Berlin ist voller Gärtner*innen. Es gibt wirklich Leute, die ihre Freizeit gerne mit den Händen in der Erde verbringen. Sie graben den Boden um, säen Blumen aus, pflanzen Gemüse an, schneiden Büsche und Bäume, zupfen Unkraut, gießen ihre Beete – und irgendwie entspannen sie sich dabei. Ich wünschte, ich könnte mich auch so produktiv entspannen. Wenn ich mich entspanne, vertrocknet unterdessen mein Kaktus.
„Laubenpieper“
66.000 Kleingärten gibt es in Berlin. „Laubenpieper“ nennt man die Hobbygärtner*innen, die für wenig Geld ein Stück Land pachten und begrünen. „Laubenpieper“ – das Wort klingt liebevoll, aber auch ein bisschen respektlos. Es lässt an Gartenzwerge und Grillabende denken. Dabei sind Kleingartenanlagen so viel mehr: große, grüne Flächen mitten in der Stadt! Viele Kleingärtner*innen genießen außerdem nicht nur das private kleine Glück eines Feierabendbiers im Schatten, sondern engagieren sich auch in Vereinen, die zum Beispiel die Finanzen einer Kleingartenanlage verwalten oder auch Feste für die Gärtner*innen ausrichten.
Im Spätsommer duftet es in den Kleingärten nach Pflaumen, Äpfeln und Birnen, in den Beeten leuchten Kürbisse und Zucchini. Zwar dienen Kleingärten in Berlin heute vor allem der Erholung – doch noch immer haben sie auch einen ganz praktischen Nutzen: Man kann dort eigenes Obst und Gemüse anbauen und mit den Nachbar*innen tauschen. Selbstversorgung – das war früher die wichtigste Funktion der Kleingärten.
Rebellion und Solidarität
Doch nicht nur in traditionellen Kleingartenanlagen wird in Berlin gegärtnert. Natürlich ist in der rebellischen Stadt auch das eigentlich verbotene Guerilla Gardening beliebt. Die Guerilleros verschönern ein Stückchen öffentlichen Grund mit Pflanzen. Es gibt sogar Workshops, bei denen man lernen kann, wie man „Saatbomben“ baut: Man verklebt Katzenstreu und Blumensamen zu einem Klumpen, den man dann heimlich in den Erde steckt. Mit ein bisschen gutem Willen fühlt sich das nach Revolution an.
Eine wirkliche Bereicherung für die Stadt sind Gemeinschaftsgärten. Die Idee: Natur für alle! Wer mag, kann für wenig Geld ein Beet pachten und pflegen. Wer dafür nicht genug Zeit hat, kann auch nur bei Aufräumaktionen mitmachen oder einen der Gartenvereine besuchen. Das „Himmelbeet“ am S-Bahnhof Humboldthain bietet freitags auch ein Sprachcafé an – denn in Gemeinschaftsgärten geht es um viel mehr als nur um Pflanzen. Hier kommen Nachbar*innen zusammen, lernen voneinander und engagieren sich für einen schöneren Kiez. Schön und gut, denkt ihr vielleicht, aber eigentlich wollen wir nur einen Aperol Spritz im Grünen trinken. Verstehe ich, mehr will ich im Sommer auch nicht. Ein Glück, dass in Gemeinschaftsgärten auch faule Besucher*innen willkommen sind!