Beim letzten Mal ging es hier um kuriose deutsche Wörter. Besonders kurios sind im Deutschen Tiernamen: Schmetterling, Eichhörnchen – Tiere, nach denen man Panzer benennen könnte, wenn es dabei nur um phonetische Aspekte ginge. Ein wirklich bösartiges Tier dagegen ist der Ohrwurm.
Streng genommen ist der Ohrwurm gar kein Tier, sondern nur eine Tiermetapher. Ein Ohrwurm ist ein Lied, das einem einfach nicht aus dem Kopf geht. Ein Lied wie „Last Christmas“. Wahrscheinlich genügt schon der Titel des Songs und ihr werdet die Melodie nicht mehr los – dabei haben wir Juli! Sorry, wenn ihr jetzt den Rest des Tages an George Michael denken müsst. Manchmal ist Didaktik eben brutal.
Umgangssprache in der Popmusik
Ein Ohrwurm, der besser zur Jahreszeit passt, ist „Ab in den Süden“ von DJ Buddy. Das Lied ist schrecklich, aber es enthält viele umgangssprachliche Redemittel, die in keinem Lehrbuch stehen und die ihr im Kopf behalten werdet, wie ihr „Ab in den Süden“ im Kopf behalten werdet.
„Den ganzen Tag am Strand ziehen wir uns die Melonen rein“ ist so ein Beispiel für Umgangssprache. Was bitte machen die mit den Melonen? Nichts Besonderes, sie essen sie. Sich was reinziehen kann auch allgemeiner bedeuten: etwas konsumieren. Auch geile Mucke kann man sich reinziehen. Geile Mucke ist Musik, die gute Laune macht.
„Ab in den Norden“
Ob „Ab in den Süden“ geile Mucke ist, darüber lässt sich streiten. Als der Song 2003 bekannt wurde, war in Norddeutschland eher „Ab in den Norden“ populär – diese Version des Songs hat DJ Buddy freundlicherweise gleich mitgeliefert. Auf verregneten Gartenpartys sangen wir trotzig: „Die Sonne scheint auch hier, ‚ey jo, was geht?‘, im Norden bleiben wir, ‚ey, jo, was geht?‘“
„Was geht?“ heißt ungefähr „Was passiert hier gerade?“ Auf den verregneten Gartenpartys meiner Kindheit wäre die ehrliche Antwort gewesen: „Nix los hier.“ Aber wir versuchten, aus der norddeutschen Tristesse das Beste zu machen. Also sangen wir: „Tequilla, Tequilla, Tequilla, wunderbar, und heute Nacht machen wir die ganze Insel klar.“ Einen Ort klar oder auch unsicher machen, bedeutet, dort wild zu feiern oder von Bar zu Bar zu ziehen.
„Heute Nacht machen wir die ganze Insel klar“ – nun ja, die kleinen Inseln an der deutschen Nordseeküste sind eher ein Seniorenparadies als ein Party-Hotspot. Egal, wir sangen trotzdem: „Ab geht die Party und die Party geht ab!“ Das heißt: Die Party läuft.
Überraschende Entdeckungen in Songtexten
Interessant an dieser Zeile ist die Inversion, also die veränderte Position des Präfixes „ab“ aus dem Verb abgehen. Die Inversion ist ein heute eher veraltetes Stilmittel, das man oft in der Literatur des 19. Jahrhunderts findet. Wie hat sich dieses Stilmittel bloß in DJ Buddys Ohrwurm verirrt? Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Aber es zeigt: In der Popmusik gibt es einiges zu entdecken.
Geht doch auch mal auf eine sprachliche Entdeckungsreise in der Musik. Ob sie nun in den Süden, in den Norden oder vielleicht doch eher zu renommierten deutschsprachigen Rap-Künstlerinnen- und Künstlern wie Sookee, Lady Bitch Ray, Peter Fox oder Danger Dan führt – mit geiler Mucke ist Deutschlernen der Hammer!
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