Lieblingswörter

Es war einer der ersten richtig warmen Tage des Jahres.

An den Gesichtern der Teilnehmerinnen und Teilnehmer meines Kurses sah ich, dass sie an Baden, Grillen, vielleicht auch ein kühles Bier dachten, aber sicher nicht an die deutsche Sprache. „Ja, ja, ich würde jetzt auch lieber in Sommerfrische fahren!“, lachte ich, als ein Teilnehmer sehnsüchtig aus dem Fenster schaute. „Wohin?“ fragte er neugierig. „In die Sommerfrische!“, antwortete ich – und plötzlich hatten wir wieder Lust auf den Deutschunterricht, weil uns das Wort so gut gefiel. Die Sommerfrische ist ein Erholungsaufenthalt. Wer in die Sommerfrische fährt, verlässt die Stadt, um den Sommer draußen in der Natur zu genießen. Freude an interessanten Wörtern kann man nicht nur in der Sommerfrische haben, sondern überall. Deshalb bat ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer spontan, ihre deutschen Lieblingswörter aufzuschreiben.

Harter Sound

Deutsch gilt nicht als besonders schön – hart klingt es, für manche sogar aggressiv. Man denke nur an das Worte Schmetterling. Schmettern bedeutet mit Wucht schlagen oder auch laut singen. Das Wort kommt aber von „Schmetten“, althochdeutsch für „Sahne“. Wie der englische butterfly verdankt der Schmetterling seinen Namen also seinem Faible für Milchprodukte. Trotzdem muss man bei dem Wort „Schmetterling“ irgendwie an einen Kampfjet denken.

Doch gerade am Klang mancher Wörter haben viele Lernende Freude. Tatsächlich notierte sogar jemand „Schmetterling“. Zusammen mit Eichhörnchen. Bei dem Wort denkt man vielleicht an ein zischendes Reptil, obwohl man vor diesen niedlichen Tieren wirklich keine Angst zu haben braucht…

Unübersetzbar

Oft sind Wörter auch wegen ihrer spezifischen Bedeutung interessant. Die Schriftstellerin und Aktivistin Sharon Dodua Otoo, deren Muttersprache Englisch ist, liebt zum Beispiel das Wort Auseinandersetzung, also die ernsthafte, manchmal konflikthafte Beschäftigung mit etwas. Sich mit der deutschen Sprache auseinanderzusetzen bedeutet, nicht bloß Vokabeln zu lernen, sondern zum Beispiel darüber nachzudenken, ob man ein deutsches Lieblingswort hat. Und ja, es bedeutet auch, sich über all die seltsamen Deklinationsendungen zu ärgern.

Viele deutsche Wörter lassen sich nur schwer übersetzen. Manchmal sind es ganz alltägliche. Die Lyrikerin Mascha Kaléko, die vor den Nationalsozialisten in die USA floh, hat im Exil ein Gedicht mit dem Titel „Der kleine Unterschied“ darüber geschrieben:

Es sprach zum Mister Goodwill
ein deutscher Emigrant:
„Gewiss, es bleibt dasselbe,
sag ich nun land statt Land,
sag ich für Heimat homeland
und poem für Gedicht.
Gewiss, ich bin sehr happy:
Doch glücklich bin ich nicht.“

Glücklich kann man natürlich mit happy übersetzen. Aber es bleibt eben ein kleiner Unterschied. Für die Dichterin Mascha Kaléko hat er sich verdammt groß angefühlt. Sie hatte furchtbar Heimweh.

Zu Heimweh gibt es übrigens ein schwer zu übersetzendes Pendant: Fernweh. Deutschland ist eine Reisenation. Egal, wie weit man reist, ein paar Deutsche mit Trekking-Schuhen trifft man garantiert. Wer zu Hause bleiben muss, sehnt sich nach der Ferne. Er hat Fernweh.

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Karl Kelschebach möchte Lernende nicht nur mit den Absonderlichkeiten der deutschen Sprache versöhnen, sondern auch ihre Neugier auf die Kuriositäten des Lebens in Deutschland wecken. Ob Spargel, Beamtendeutsch oder die Deutsche Bahn - nichts ist vor seiner flotten Feder sicher. Über manches schreibt er liebevoll, über anderes biestig - aber eine Prise Humor ist immer dabei.

Karl Kelschebach not only wants to reconcile learners with the peculiarities of the German language, but also arouse their interest in the curiosities of life in Germany. Whether it's asparagus, administrative language or the German railway - nothing is safe from Karl's quick pen. He writes tenderly about some things, and meanly about others - but there is always a pinch of humour.

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