Kraftausdrücke und Ausdrücke, die Kraft geben

Wie man sich mit Elan auf Deutsch ausdrücken kann.

Eigentlich kann ich mich nicht beklagen. Wenn gerade mal das Internet funktioniert, habe ich es im Homeoffice ganz nett. Ich trinke Kaffee, kreiere lustige Akkusativ-Übungen und schreibe hin und wieder einen Blog-Post. Trotzdem, die Zeiten könnten besser sein: Immer noch nicht genug Impfstoff, immer noch Lockdown, immer noch Angst, sich irgendwo zu infizieren. Und das Wetter ist auch scheiße. Ups, habe ich scheiße gesagt?

Kraftausdrücke im „Land der Dichter und Denker“

Wenn man sich ärgert, spricht man eben meistens nicht in geistreichen Zitaten – auch nicht in Deutschland, dem „Land der Dichter und Denker“. Klar, wir alle haben als Kinder gelernt, dass man keine bösen Wörter benutzen soll. Aber manchmal muss der Frust einfach raus, verdammte Scheiße! Deshalb gibt es für böse Wörter im Deutschen auch einen sehr schönen Begriff: Kraftausdrücke. Das klingt nicht verboten, sondern vital.

Kraftausdrücke können sogar zu Poesie inspirieren. Als ich Kind war, brachte mir meine Oma Verse bei, in denen es, nun ja, um Scheiße ging. Bei der Recherche für diesen Eintrag habe ich herausgefunden, dass Scheiße-Sprüche sogar ein eigenes Genre sind. Meine Oma gab am liebsten diesen hier zum Besten: „Scheiße in der Kuchenform / ändert den Geschmack enorm.“

Meine Kolleginnen von All on Board fragten mich, ob dieser Spruch eine tiefere Bedeutung habe. Ich habe mal Germanistik studiert, müsste also eigentlich in allem, was sich reimt, irgendetwas Tiefes erkennen. Die Verse zur Scheiße in der Kuchenform sind aber definitiv nicht fürs Germanistik-Seminar gedacht. Es geht da nicht um Tiefe, sondern um das kreative Spiel mit der Sprache.

Faust

Vulgärer Spaß

Nicht nur meine Oma fand Kraftausdrücke lustig, es gibt ziemlich viele Menschen, die daran ihre Freude haben. Interkulturelle Begegnungen machen zum Beispiel besonders Spaß, wenn man sich über Kraftausdrücke aus verschiedenen Sprachen unterhält. Auf diese Weise habe ich schon viele heitere Abende verbracht.

Dabei hat sich immer wieder gezeigt, dass vulgäres Deutsch viel weniger sexuelles Vokabular enthält als die meisten anderen europäischen Sprachen. Deutsche Kraftausdrücke stammen vor allem aus dem analen Bereich. Oder, wie es der Sprachwissenschaftler Hans-Martin Gauger formuliert: „Wir sind, auf Deutsch gesagt, klar und beharrlich auf der Scheiße-Linie.“

Das wohl beliebteste deutsche Schimpfwort ist folgerichtig „Arschloch“. Ein befreundeter Jurist erzählte mir neulich, im Durchschnitt breche ein deutscher Bürger einmal täglich das Gesetz. Das könnte auch an dem Wörtchen „Arschloch“ liegen. Es wird ziemlich oft benutzt – aber man kann eine Anzeige wegen Beleidigung bekommen, wenn man jemanden so nennt.

Mir würden übrigens schon noch härtere Beleidigungen einfallen, auch sexualisierte, aber leider wir sind eine seriöse Sprachschule, deshalb verrate ich sie euch nicht.

Ausdrücke, die Kraft geben

Doch vielleicht braucht ihr ja gerade auch gar keine Kraftausdrücke, sondern eher Ausdrücke, die Kraft geben. Motivierende Sätze, Sätze wie: Es gibt Licht am Ende des Tunnels. Das Licht steht für Hoffnung. Dass es Licht am Ende des Tunnels gibt, kann zum Beispiel bedeuten, dass wir uns irgendwann doch endlich impfen lassen können.

Bis dahin heißt es: Abwarten und Teetrinken. Tee wirkt beruhigend, wer Tee trinkt, lässt sich nicht so leicht stressen. Immer mit der Ruhe, mag er sich denken. Oder: Wird schon schiefgehen. „Schiefgehen“ heißt eigentlich misslingen, scheitern, ohne Erfolg sein – doch wenn man sagt: „Wird schon schiefgehen“, meint man das Gegenteil. Die Deutschen sind nicht gerade berühmt für ihren Humor, aber diese ironische Formulierung ist fest etabliert.

„Haltet die Ohren steif!“

Auch sehr schön: Halt die Ohren steif! Das heißt ungefähr: Verlier den Mut nicht, bleib stark! Nicht immer leicht…

Trotzdem: Haltet die Ohren steif! Verzweifelt nicht an Corona und nicht an der deutschen Sprache. Übrigens: In Corona-Zeiten gibt es bei uns auch Online-Deutschkurse. Ihr könnt während der Sessions auch gerne Tee trinken.

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Karl Kelschebach möchte Lernende nicht nur mit den Absonderlichkeiten der deutschen Sprache versöhnen, sondern auch ihre Neugier auf die Kuriositäten des Lebens in Deutschland wecken. Ob Spargel, Beamtendeutsch oder die Deutsche Bahn - nichts ist vor seiner flotten Feder sicher. Über manches schreibt er liebevoll, über anderes biestig - aber eine Prise Humor ist immer dabei.

Karl Kelschebach not only wants to reconcile learners with the peculiarities of the German language, but also arouse their interest in the curiosities of life in Germany. Whether it's asparagus, administrative language or the German railway - nothing is safe from Karl's quick pen. He writes tenderly about some things, and meanly about others - but there is always a pinch of humour.

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