Seit Jahrhunderten wandern Deutsche nach Nordamerika aus. Ihre Motive sind so vielfältig wie die Migranten selbst.
Vor ein paar Wochen schickte ein Kollege ein Urlaubs-Selfie aus Frankfort. Nein, ich habe mich nicht verschrieben: aus Frankfort, nicht Frankfurt. Der Kollege hatte die Stadt auf einer Reise durch die USA passiert und sich über ihren Namen gewundert. Ich wollte googeln, wo er eigentlich war – und stellte fest: Es gibt acht US-amerikanische Städte namens Frankfort. Und ich verwechsele schon immer Frankfurt an der Oder und Frankfurt am Main…
Neue Welt, alte Identitäten
Die Faszination, die für Deutsche von Nordamerika ausgeht, war immer die Faszination des Neuen. „Amerika, du hast es besser / als unser Kontinent, der alte“, schwärmte schon Johann Wolfgang von Goethe in seinem Gedicht Den Vereinigten Staaten. Doch viele Deutsche, die ihr Glück in der Neuen Welt suchten, wollten ihre alte Identität keineswegs aufgeben. Das zeigt sich in den Namen vieler Städte. Außer Dresden, Stuttgart, Schaumburg und Bremen wäre da zum Beispiel Germantown, gegründet 1683 in Pennsylvania. Bis heute pflegt dort eine kleine Minderheit eine Varietät des Deutschen, die für Deutsche nicht leicht zu verstehen ist: Pennsylvanian Dutch.
Die Forty-Eighters
Die wichtigsten Motive der deutschen Migranten auszuwandern, waren zunächst Armut und religiöse Verfolgung. Im 19. Jahrhundert hofften außerdem viele auf jene politische Freiheit, für die sie bereits in ihrer Heimat gekämpft hatten – ohne Erfolg. 1848 hatten sie eine Revolution begonnen – geendet hatte sie jedoch nicht mit der ersehnten Republik, sondern mit der Kapitulation der Revolutionäre vor dem Militär. Manche arrangierten sich mit den neuen Machtverhältnissen, andere sahen ihre Zukunft in den USA: die Forty-Eighters. Unter der Parole „Ubi libertas, ibi patria“ („Wo die Freiheit ist, da ist das Vaterland“) ließen sie Deutschland hinter sich – nicht aber ihre politischen Ideale. Zahlreiche Forty-Eighters engagierten sich für die Wahl Abraham Lincolns und kämpften im amerikanischen Bürgerkrieg in der Armee der Nordstaaten.
Flucht vor der NS-Diktatur
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Migration in die USA per Gesetz erschwert. Die vom NS-Regime Verfolgten, die Europa verlassen wollten, hatten eine bürokratische Odyssee vor sich. Viele wurden ermordet, bevor sie die für ein Visum benötigten Papiere beisammen hatten. Unter denen, die trotz aller Schikanen einreisen und bleiben durften, waren wichtige Künstler und Intellektuelle wie die Schriftstellerfamilie Mann. Der Kampf gegen das NS-Regime ging für viele im Exil weiter: Thomas Mann zum Beispiel hielt Reden im BBC, sein Sohn Klaus trat in die US-Armee ein. Das Heimweh, das deutsche Geflüchtete im Exil quälte, beschreiben am vielleicht eindrücklichsten die Gedichte Mascha Kalékos – etwa Der kleine Unterschied:
Es sprach zum Mister Goodwill
ein deutscher Emigrant:
„Gewiss, es bleibt dasselbe,
sag ich nun land statt Land,
sag ich für Heimat homeland
und poem für Gedicht.
Gewiss, ich bin sehr happy:
Doch glücklich bin ich nicht.“
Jägerschnitzel in Texas
Sind andere deutsche Einwanderer in den USA glücklich geworden? Zumindest sind seit dem 19. Jahrhundert Millionen gekommen, geblieben und Amerikaner geworden. Lange hatten sie eigene Zeitungen, pflegten ihre Muttersprache und ihr kulturelles Erbe. Davon ist nicht viel geblieben. Zu groß war der Assimilationsdruck nach zwei Weltkriegen, in denen die USA gegen ein gigantomanisches Deutschland gekämpft hatten. In Fredricksburg (Texas) soll man im Restaurant Der Lindenbaum aber bis heute sehr gutes Jägerschnitzel bekommen.
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