Moni’s Fischkajüte und das Apostroph

Krieg in Europa, Wirtschaftskrise, Klimakatastrophe – und nun auch das noch: Der Rat für deutsche Rechtschreibung erlaubt das „Deppen-Apostroph“!

Krabbenbrötchen und schwarzer Kaffee

Gegenüber meiner Wohnung befand sich früher Moni’s Fischkajüte. Man konnte dort pappige Krabbenbrötchen und schwarzen Kaffee kaufen. Vor Jahren schon musste Moni ihre Fischkajüte schließen. Lag‘s an der Ware oder am Apostroph? Hätte Moni’s Fischkajüte als Monis Fischkajüte überleben können?

Körperliche Reaktionen auf falsche Apostrophe

Falsche Apostrophe können in deutschsprachigen Ländern stärkere körperliche Reaktionen hervorrufen als der üble Geruch in Moni’s Fischkajüte – Verfasser*innen diverser Zeitungsbeiträge erklärten in den letzten Wochen, ein Apostroph vor dem Genitiv-s lasse ihnen die Nackenhaare zu Berge stehen. Zeitungsbeiträge über ein Apostroph – echt jetzt? Aber ja! Das Apostroph hat es sogar in den Guardian geschafft.

Die neue Rechtschreibregel

Der Grund: Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat das Apostroph zur Abgrenzung des Genitiv-s erlaubt, das sogenannte „Deppen-Apostroph“. Nicht, dass es jetzt immer und überall toleriert würde – das käme einer orthographischen Revolution gleich. Aber: „Die Verwendung des Apostrophs zur Abgrenzung des Genitiv-s bei Eigennamen ist möglich, wenn die Gesamtkonstruktion ein Eigenname ist“, heißt es im neuen Regelwerk. Da Moni’s Fischkajüte ein Eigenname war – eben der Name des Geschäfts mit den pappigen Krabbenbrötchen und dem schwarzen Kaffee –, wäre das Apostroph nach den neuen Regeln also okay. Monis Krabbenbrötchen und Monis schwarzer Kaffee waren dagegen keine Eigennamen, sondern kulinarische Verbrechen, deshalb hätten sie auch heute kein Recht auf ein Apostroph.

Nur ein harmloses Häkchen?

Nun wäre die neue Rechtschreibregel selbst den Autor*innen des Guardians (oder Guardian’s?) wahrscheinlich keine Zeile wert – ein Apostroph vor der Genitiv-Endung ist für Native Speaker des Englischen nun wirklich nichts Besonderes: Moni’s Fish Cabin, was sonst? Etwas Besonderes sind dagegen die heftigen Reaktionen der Deutschen auf das harmlose Häkchen. Bereits 2004 warnte der Sprachkritiker Bastian Sick vor einer „Apostrophenpest“ und fragte alarmiert: „Wohin soll das noch führen? Droht die totale Apostrophe?“ Bereits damals stand im Duden, dem Standardwerk zur deutschen Sprache, der Apostroph werde gelegentlich zur Abgrenzung des Genitiv-s von Namen benutzt. Offiziell korrekt ist solch eine Verwendung des Apostrophs aber erst seit diesem Jahr. Ein Redakteur der Boulevard-Zeitschrift BILD mutmaßt, wolle damit kaschieren, dass viele Deutsche die Regeln ihrer eigenen Sprache nicht kennen.

Konservative Sprachkritik

Woher kommt das Misstrauen gegenüber dem Apostroph? Zum einen wohl aus dem Wunsch nach Distinktion. Wer Monis „Deppen-Apostroph“ beanstandet, fühlt sich Moni intellektuell überlegen – ein schönes Gefühl. Zum anderen aus Angst vor einer Anglisierung der deutschen Sprache. So wie der konservative Verein Deutsche Sprache Anglizismen bekämpft, so bekämpft er auch Veränderungen der Rechtschreibung, die das Deutsche dem Englischen annähern.

Was würde der Verein Deutsche Sprache wohl zu dem neuen Imbiss gegenüber meiner Wohnung sagen? Wo früher Moni’s Fischkajüte war, ist heute Laris Love Food.

Karl Kelschebach möchte Lernende nicht nur mit den Absonderlichkeiten der deutschen Sprache versöhnen, sondern auch ihre Neugier auf die Kuriositäten des Lebens in Deutschland wecken. Ob Spargel, Beamtendeutsch oder die Deutsche Bahn - nichts ist vor seiner flotten Feder sicher. Über manches schreibt er liebevoll, über anderes biestig - aber eine Prise Humor ist immer dabei.

Karl Kelschebach not only wants to reconcile learners with the peculiarities of the German language, but also arouse their interest in the curiosities of life in Germany. Whether it's asparagus, administrative language or the German railway - nothing is safe from Karl's quick pen. He writes tenderly about some things, and meanly about others - but there is always a pinch of humour.

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