Wer in Deutschland mit der Bahn reist, braucht einen recht speziellen Wortschatz. Und starke Nerven.
Bahnstreik
Deutschland im Januar 2024: Züge und S-Bahnen stehen still. Nicht wegen des Winterwinters, sondern weil die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) zum Streik aufgerufen hat. Die Organisation vertritt die Interessen der Lokführer – das sind sozusagen die Kapitäne, die den Zug steuern. Der Bahnvorstand findet ihre Forderungen nach kürzeren Arbeitszeiten bei gleichem Lohn überzogen. 5 Millionen Euro Boni an die Mitglieder des Bahnvorstandes waren dagegen kein Problem…
Sprachliche und nervliche Herausforderungen
Selbst, wenn alles „normal“ läuft, läuft es nicht wirklich gut bei der Bahn. Das zeigen die Durchsagen, die wir an Bahnhöfen oft hören. Auch wer schon lange Deutsch lernt, steht vor sprachlichen Herausforderungen, wenn er auf einen Zug wartet: „Verzögerung im Betriebsablauf“, „technische Störungen“, „erhöhtes Personenaufkommen“ – was bitte bedeutet das? Nichts Gutes. Vor allem bedeutet es, dass der Zug zu spät kommt.
Verzögerung im Betriebsablauf
Schauen wir uns die Durchsagen dennoch im Detail an: Da wäre die „Verzögerung im Betriebsablauf“. Eine Verzögerung ist eine Verlangsamung. Was genau „Betriebsablauf“ heißt, weiß niemand. Offenbar ist es etwas, was normalerweise nicht funktioniert, denn man kennt das Wort eigentlich nur in Kombination mit dem Wort „Verzögerung“. Wenn sich ein Zug „wegen einer Verzögerung im Betriebsablauf“ verspätet, ist also irgendetwas zu langsam gelaufen. Danke für die präzise Information!
Technische Störung
Eine „technische Störung“ kann alles Mögliche sein – zum Beispiel eine beschädigte Weiche (eine Konstruktion auf den Schienen, durch die der Zug auf ein anderes Gleis kommen kann). Es kann sich aber auch um etwas ganz anderes handeln. Klar ist nur: Etwas ist kaputt. Bis es repariert ist, können Minuten vergehen oder Stunden oder Tage oder… Ach, Zugfahren ist einfach toll!
Erhöhtes Personenaufkommen
„Erhöhtes Personenaufkommen“ heißt: mehr Fahrgäste als üblich. „Erhöhtes Personenaufkommen“ oder auch „hohes Reiseaufkommen“ gibt es, wenn viele Menschen mit der Bahn unterwegs sind, also vor allem in den Ferien und an Feiertagen. Meist kommt das für die Deutsche Bahn unvorbereitet. Woher soll sie auch wissen, wann Ostern und Weihnachten ist?
Fünf Minuten vor der Zeit?
Verzögerungen im Betriebsablauf, technische Störungen und erhöhtes Personenaufkommen gab es in den letzten Jahren reichlich – jedenfalls kamen 2022 laut Statistik der Deutschen Bahn nur 65% ihrer Züge pünktlich. „Fünf Minuten vor der Zeit ist des Deutschen Pünktlichkeit“, lautet ein Sprichwort. Die Deutsche Bahn dagegen findet: Auch fünf Minuten nach der Zeit ist noch pünktlich. Züge, die weniger als sechs Minuten Verspätung haben, tauchen in ihrer Statistik zu Verspätungen nicht auf – genauso wenig wie Züge, die komplett ausgefallen sind. Logisch: Ein Zug, der nicht fährt, kann auch nicht zu spät kommen. Wen die Deutsche Bahn stundenlang auf den nächsten Zug warten lässt, den tröstet das wahrscheinlich nicht.
Leider kein Witz
Entschuldigung, ich weiß es ja selbst: Der Text klingt genervt. Das liegt einfach am Thema. Wer öfter mit der Bahn reist, dem geht das Chaos eben irgendwann auf die Nerven. Alle wollen doch die „Verkehrswende“, also die Entwicklung zu einem preiswerten und ökologischen öffentlichen Verkehr! Seit Jahren begegnet man dem Zustand der Bahn mit Galgenhumor. „Wie die Deutsche Bahn zum Witz wurde“, fragt zum Beispiel der Satiriker Jan Böhmermann. Seinem Kollegen Oliver Welke hat die Deutsche Bahn die Arbeit abgenommen: Statt sich eigene Pointen auszudenken, las Welke in der „Heute-Show“ einfach reale Durchsagen aus deutschen Zügen vor – etwa: „Der Lokführer ist wegen eines anderen verspäteten Zuges noch nicht eingetroffen. Wir blockieren gerade das Gleis für seinen Zug. Wir sind selbst gespannt, wie das aufgelöst wird.“ Immerhin für Spannung ist gesorgt bei der Deutschen Bahn…
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