Berliner Geschichte im Film

Die Geschichte Berlins hat zu zahlreichen Filmen inspiriert – hier stelle ich euch zwei berühmte und einen nicht ganz so berühmten vor. Der nicht ganz so berühmte hat mir am besten gefallen.

Selbst an Grenzschutzanlagen poetisch

Ich habe mir Tokio immer ein bisschen wie ein Wimmelbild vorgestellt – überall Verkehr, überall Bewegung, schon vom Hinschauen wird man ganz nervös. Ganz anders ist das Tokio, das ich in Wim Wenders Spielfilm “Perfect Days” kennengelernt habe: ein pastellfarbenes Idyll, reich an nostalgischen Geschäften, verschwiegenes Parks und öffentlichen Toiletten von ergreifender Schönheit. Ob die Wirklichkeit der Millionenmetropole genauso poetisch ist wie der Film, da bin ich mir allerdings nicht so sicher – ich habe nämlich auch “Der Himmel über Berlin” (1987)  gesehen, und Berlin erscheint bei Wim Wenders ebenfalls sehr poetisch, obwohl der Film über weite Strecken an Grenzschutzanlagen spielt.

Der Himmel über Berlin

“Der Himmel über Berlin” entführt uns über gut zwei Stunden in ein Berlin, das von Engeln bevölkert wird. Doch nicht nur darin unterscheidet sich die Stadt von jener, die wir kennen. Die Siegessäule und den Dom erkennen wir sofort – aber das triste Brachland, auf dem die beiden Engel Damiel und Cassiel philosophische Gespräche führen? Dank Wikipedia weiß ich: Das ist der Potsdamer Platz. Aber eben der Potsdamer Platz aus dem Jahr 1987, als Berlin noch geteilt war und nichts auf den baldigen Fall der Mauer hindeutete. Klar, das kann man sich auch auf historischen Fotos ansehen. Doch die Gedichte des Literaturnobelpreisträgers Peter Handke, die die Handlung untermalen, die Schauspielkunst der Hauptdarsteller Bruno Ganz und Otto Sander und der in den 1980er Jahren technisch überaus anspruchsvolle Wechsel zwischen Szenen in Farbe und Szenen in Schwarz-Weiß – das alles lässt uns diese so fremde Stadt in einer sinnlichen Intensität erfahren, die sich so gar nicht nach Geschichtsunterricht anfühlt.

Das Leben der Anderen

Das Leben der Anderen” von Florian Henckel von Donnersmarck (2006) fühlt sich schon eher nach Geschichtsunterricht an. Der Politthriller handelt vom Überwachungsapparat der DDR und zeigt zahlreiche Orte Ostberlins, die so grau sind, dass wirklich jeder versteht: Schön war’s im real existierenden Sozialismus nicht. Für die Story ist die Ideologie des real existierenden Sozialismus übrigens gar nicht so wichtig. Ein Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit wird beauftragt, einen Schriftsteller zu bespitzeln, um belastendes Material gegen ihn zu beschaffen – allerdings nicht, weil der betreffende Schriftsteller besonders systemkritisch wäre, sondern weil der Kulturminister eine Affäre mit seiner Frau hat. Die Frau bringt sich um, der Schriftsteller bekommt Scherereien, der Spitzel wird in gut zwei Stunden zum Menschenfreund. Wir lernen einen repressiven Staat kennen – und Bürgerinnen und Bürger, die zwischen Loyalität und Opposition schwanken.

Coming Out

Am Abend des 9. November 1989 kündigte sich mit der Öffnung der Berliner Mauer das Ende dieses Staates an. Dass Tausende sich auf den Weg nach Westberlin machten, bekamen die Gäste des Kinos International nicht mit – denn sie feierten eine spektakuläre Premiere. Mit “Coming Out” von Heiner Carow wurde der erste schwule Film der DEFA gezeigt, des wichtigsten staatlichen Filmunternehmens der DDR. Im Mittelpunkt stehen der junge Lehrer Philipp Klarmann, seine Freundin Tanja – und sein Geliebter Matthias. Was aus den dreien wird, bleibt bis zum Schluss unklar. Klar dagegen wird: Auch in der DDR gab es queeres Leben. Versteckt zwar, aber keineswegs ohne Charme. Nein, die DDR bestand nicht nur aus Trabbis und Unterdrückung. “Coming Out” zeigt uns ein Berlin mit sehr grauen Straßenzügen, aber eben auch einem reichhaltigen Kulturleben, mit autoritär geführten Schulen, aber eben auch jungen Lehrkräften, die sich um einen liberalen Unterrichtsstil bemühen, mit konventionellen Familienbildern, aber eben auch queeren Szene-Bars. Kein Wunder, dass die Besucherinnen und Besucher des Kinos International vor lauter Begeisterung fast den Mauerfall verpasst hätten. Übrigens: Das Kino International beginnt die Woche seit vielen Jahren dem “Mongay”: Jeden Montag zeigt es einen queeren Film.

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Karl Kelschebach möchte Lernende nicht nur mit den Absonderlichkeiten der deutschen Sprache versöhnen, sondern auch ihre Neugier auf die Kuriositäten des Lebens in Deutschland wecken. Ob Spargel, Beamtendeutsch oder die Deutsche Bahn - nichts ist vor seiner flotten Feder sicher. Über manches schreibt er liebevoll, über anderes biestig - aber eine Prise Humor ist immer dabei.

Karl Kelschebach not only wants to reconcile learners with the peculiarities of the German language, but also arouse their interest in the curiosities of life in Germany. Whether it's asparagus, administrative language or the German railway - nothing is safe from Karl's quick pen. He writes tenderly about some things, and meanly about others - but there is always a pinch of humour.