Englisch im deutschen Alltag

In Berlin ist Englisch überall präsent. Manche würden es gern bekämpfen, andere gar zur Amtssprache machen. Relaxt, Leute!

Polyglotte neue Nachbarschaft

All on Board ist umgezogen. Unser Büro ist jetzt in der Torstraße 117, gleich an der U-Bahnstation Rosenthaler Platz. Wenn wir aus dem Fenster schauen, sehen wir Modetrends aus aller Welt. Wenn wir uns in der einen Coffee to go besorgen, hören wir um uns herum mehr Sprachen, als an unserer Schule unterrichtet werden.

Ein Verbotsschild auf Englisch

Trotzdem sollte ich vielleicht lieber “Kaffee zum Mitnehmen” schreiben statt “Coffee to go”. Denn so international unsere neue Nachbarschaft ist – wir leben in Deutschland! Dass wir in Deutschland leben, hat jemand auf ein Schild in unserem Hausflur geschrieben, auf ein Verbotsschild, ein eigentlich also sehr deutsches Schild, das aber – holy shit! – auf Englisch abgefasst ist: “Please do not use the courtyard! Door locks when shut and there is NO EXIT.” Wir dürfen also nicht in den Innenhof gehen, weil die Tür sonst hinter uns ins Schloss fällt und wir nicht mehr herauskommen. Das ist ärgerlich. Noch viel ärgerlicher aber fand jemand, dass uns das Betreten des Innenhofs nicht auf Deutsch, sondern auf Englisch verboten wird. Deshalb erinnerte er mit wütenden handschriftlichen Notizen nicht nur daran, dass wir in Deutschland leben, sondern auch daran, dass Deutsch hier Amtssprache ist.

Deutsch als Amtssprache

Ja, Deutsch ist Amtssprache. Das heißt nicht, dass Deutsche Briefe vom Amt verstehen. Ich zum Beispiel verstehe sie normalerweise nicht, obwohl ich seit vielen Jahren die deutsche Sprache unterrichte. Gegen die Schreiben vom Finanzamt hat noch keine Deklinationstabelle geholfen. Dass Deutsch Amtssprache ist, heißt vor allem, dass auf deutschen Ämtern, in deutschen Gerichten und in deutschen Parlamenten weder Englisch noch irgendeine andere nichtdeutsche Sprache gesprochen wird. Oberbayrisch und Niederdeutsch sind okay – das verstehen zwar nicht viele, aber es sind zumindest Varietäten des Deutschen. Aber Englisch? Never ever! 2018 wollte die rechtsextreme Partei AfD Deutsch als “Landessprache” sogar in der Verfassung verankern, um sie gegen andere Sprachen zu schützen. In anderen Sprachen sieht die AfD nämlich eine Gefahr für die deutsche.

Englisch als Amtssprache?

Eine Mehrheit für die nationalistische Vision einer sprachlichen Monokultur gab es im Deutschen Bundestag nicht. Eine Mehrheit gibt es aber auch nicht für den Vorschlag, Englisch zur zweiten Amtssprache zu machen, um den deutschen Arbeitsmarkt für internationale Arbeitskräfte attraktiver zu machen. Die Kritik ist vor allem pragmatischer Natur: Viele Mitarbeiter*innen von Ämtern und Gerichten können sich zwar einigermaßen auf Englisch verständigen – aber für juristisch relevante Dokumente reicht das natürlich nicht. Außerdem würde Englisch als Amtssprache vielen Migrant*innen nicht wirklich helfen. Statt Briefen in zwei Sprachen, die sie kaum verstehen, brauchen sie Dolmetscher*innen für Türkisch, Arabisch, Farsi oder Russisch. Und Deutschkurse, damit es irgendwann auch ohne Dolmetscher*in geht. Weniger Bürokratie wäre natürlich auch gut, aber Bürokratie gehört hierzulande mindestens ebenso sehr zur nationalen Identität wie die deutsche Sprache.

Hauptsache, wir verstehen uns

Ob Englisch nun Amtssprache ist oder nicht: Präsent ist es allemal. Die Deutsche Bahn informiert die Fahrgäste schon seit vielen Jahren zweisprachig darüber, dass sie nicht pünktlich an ihr Ziel kommen werden. Die Hausmeisterin (oder der Facility Manager) verbietet uns auf Englisch, den Innenhof zu betreten. Und wenn wir im Büro einen Plausch halten, machen wir das auch auf Englisch. Plausch heißt übrigens Smalltalk. Im Alltag kommt es darauf an, dass wir einander verstehen. Wie das am besten gelingt, hat mit Amtssprachen nicht viel zu tun.

Karl Kelschebach möchte Lernende nicht nur mit den Absonderlichkeiten der deutschen Sprache versöhnen, sondern auch ihre Neugier auf die Kuriositäten des Lebens in Deutschland wecken. Ob Spargel, Beamtendeutsch oder die Deutsche Bahn - nichts ist vor seiner flotten Feder sicher. Über manches schreibt er liebevoll, über anderes biestig - aber eine Prise Humor ist immer dabei.

Karl Kelschebach not only wants to reconcile learners with the peculiarities of the German language, but also arouse their interest in the curiosities of life in Germany. Whether it's asparagus, administrative language or the German railway - nothing is safe from Karl's quick pen. He writes tenderly about some things, and meanly about others - but there is always a pinch of humour.

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